Was Paris den Franzosen, Athen den Griechen und Haithabu den Wikingern ist Dublin den Iren. Die Stadt liegt vielleicht nicht im geographischen Mittelpunkt der Insel, trotzdem laufen hier alle Fäden zusammen, Dublin ist im wahrsten Sinne des Wortes die Hauptstadt der Republik.
Das Wort Dublin ist natürlich nicht der eigentliche Name der Hauptstadt. Na im Prinzip schon, es gibt aber natürlich auch eine irische Bezeichnung. In “Einheimisch” heißt sie Baíle Átha Clíath was übersetzt so viel bedeutet wie “Die Stadt an der Furt aus Astwerk”.
Auch wenn dies bei der offiziellen 1000-Jahr-Feier elegant ausgeblendet wurde, ist die heutige Hauptstadt der Republik Irland (R.O.I.) ursprünglich eine wikingische Gründung und Dubh-linn – so zumindest trug man es mir zu – bedeutet Schwarzer Tümpel. Das macht eine Menge Sinne und so belassen wir es dabei.
Rund ein Drittel aller Iren dürfte mittlerweile in Schwarzer Tümpel wohnen, zählt man die Pendler mit, sind es wahrscheinlich noch mehr. Dublin ist Schaltzentrale der Macht, ökonomisches Rückgrat und kulturelles Zentrum der Grünen Insel. In Anbetracht dieser überragenden Bedeutung verdient es wohl eine etwas umfangreichere Betrachtung und so tun wir.
Geschichte
Ursprünglich wie gesagt war Dublin eine wikingische Gründung. Den alten Iren war die sumpfige Gegend an der Liffey-Mündung offenbar wenig verlockend, die Wikinger sahen das ganz anders. Sie brauchten einen sicheren Hafen nach Osten. Dass der mit der Liffey eine nach damaligem Verständnis “gute Verkehrsanbindung” hatte, sahen sie sicherlich als Bonus. Der Fluss eignete sich hervorragend für kleine Bootstouren und dafür waren die Wikinger schließlich berühmt.
Übersetzt bedeutet das Wort Wikinger so viel wie Pirat und als das waren sie sehr erfolgreich. Betrachtete man sie nur als umherziehende Vandalen, Unrecht man ihnen täte. Die Stadt York zum Beispiel entwickelte sich unter Rigide jener “Piraten” zu einem prosperierenden, internationalen Handelszentrum und unter all den Dingen, die Archäologen aus jenen Tagen fanden, war nicht ein einziges Schwert.
Auch ihre “Filiale” in Irland war in erster Linie ein Warenumschlagplatz, ein Platz des Handels und des Handwerks. In der näheren Umgebung plündern gingen sie vermutlich nur, um nicht aus der Übung zu kommen. Viel zu holen gab es da eh nicht.
Die Gründung der Siedlung fiel in das Jahr 841, die 1000-Jahr-Feierlichkeiten hielt man trotzdem erst im Jahre 1988 ab. Das klingt etwas seltsam, entbehrt aber nich jeder Logik, jedenfalls nicht nach irischen Maßstäben. Nach Ansicht der Stadtväter lässt man sich eine gute Gelegenheit halt nicht entgehen und genau betrachtete, fiel Dublin erst im Jahre 988 in irische Hand und wurde in das gerade entstehende Königreich Irland eingegliedert. Gut genug dachte man sich da wohl.
Mit dem Unmut der Historikergilde kann der Taoíseach – ich behaupte jetzt einfach mal, dass er die politische Verantwortung dafür trug – normalerweise leben und das vor allem dann, wenn die Kassenwarte freudig erregt Nicken. So ist das halt in Eíre; Kleingeister, Klugscheißer und Erbsenzähler haben hier nichts verloren.
In Dublin “hausen”
Besonders für hiesige Maßstäbe ist Dublin riesig. Dabei ist es vor allem weit gezogen. Übertrieben viel Hochhäuser gibt es hier nicht und die paar die man mitten in die historische Altstadt gepflanzt hat, wirken hier ungefähr so passend, wie ein Bœuf Stroganoff auf einer Vegetarierplatte.
Zwar gab es darüber hinaus auch in Dublin mal den Versuch, anonym-hässliche, grau-triste und in ihrem Charme an die Spitzenprodukte realsozialistisch-ostdeutscher Gegenwartsarchitektur erinnernde Betonsilos als Antwort auf das Wohnungsproblem zu etablieren, mittlerweile sieht man dieses Experiment allerdings als gescheitert an und es wird zurückgebaut. Besser ist es. Die Tristesse dieser Gegenden ist ein idealer Nährboden für Kriminalität und Drogen, man schafft sich wesentlich mehr Probleme als man löst.
Immerhin war es gut gemeint. Dublin hat nachwievor ein Wohnungsproblem, es kann gar nicht schnell genug gebaut werden. Leider hat man irgendwann beschlossen, dass Einfamilienhäuser die Lösung seien. Nun ist es möglich, dass es Stadtplanung als Beruf in Irland nicht gibt oder aber dass es ihn gibt und sie vielleicht gerade alle in der Kneipe waren, als die verantwortlichen dieses Konzept für die Zukunft der Stadt entwarfen, Tatsache ist, dass es eigentlich keines Experten bedarf, um zu ahnen, dass dieses Konzept schwachsinnig ist.
Natürlich geht hier in Irland probieren über studieren und so legte man los. Man legt übrigens immer noch, wäre ja noch schöner, wenn man plötzlich aus Fehlern lernt. Nun ja, entsprechend zersiedelt ist Dublin mittlerweile jedenfalls und das Resultat dieser verfehlten Baupolitik ist täglich zu bewundern.
Der öffentliche Nahverkehr hat in einer derartig flächigen und verhältnismäßig natürlich dünn besiedelten Großstadt wie Dublin keine Chance. Zudem wurde die Infrastruktur nicht nur deutlich langsamer entwickelt, als die wie Pilze aus dem Boden sprießenden Estates (kleine Wohnviertel, auf denen schnell mal sechzig absolut identische Häuschen hin geklatscht werden, die Dank der riesigen Nachfrage zu astronomischen Preisen vertickt werden.), sondern eigentlich gar nicht. Das hat natürlich Folgen und es bedarf keines Auguren, um die zu erahnen: Die Infrastruktur is de facto zusammengebrochen.
Besonders in den Stoßzeiten ist das gesamte Stadtgebiet ein einziger Stau, da der öffentliche Nahverkehr im Wesentlichen über Busse erledigt wird – das System hinter diesen Buslinien hat sich mir bis auf den heutigen Tag nicht erschlossen und ich bezweifele ernsthaft, dass eines dahinter steckt – stecken diese genauso fest wie alle anderen auch und so gestaltet sich die Busfahrt zu einem Lotteriespiel. Es gibt Tage, wo man sicherlich erheblich schneller zu Fuß in der Stadt ist, als mit dem Bus.
Immerhin gibt es seit Neuestem zwei Straßenbahnlinien und nach erheblichen Anlaufschwierigkeiten funktionieren diese auch ganz vorzüglich. Die sogenannte Luas ist eine verlässliche Verbindung in das City Centre von Dublin, wer in ihrem Einzugsbereich wohnt, hat es gut. Daneben gibt es natürlich auch die alt bewährten Commuter; Nahverkehrszüge die einen relativ zügig durch die Stadt befördern. Auch wer in ihrem Einzugsbereich lebt und arbeitet, hat keinerlei Probleme mit dem Berufsverkehr. Natürlich ahnen wir es – das sind nur die Wenigsten.
Für die meisten von uns ist der Verkehr in Dublin eine Plage und Besserung nicht in Sicht. Immerhin gibt es jetzt das Projekt Dublin 2020, das die beiden Luas Linien verbinden will, es soll eine Metro gebaut werden und der Flughafen ans Schienennetz angebunden. Das glaube ich persönlich erst, wenn ich es sehe.
Wie gesagt, allein durch die riesige Fläche, über die sich Dublin verstreut, ist effektiver Nahverkehr praktisch unmöglich zu leisten. Da man sich als Tourist in der Hauptsache wohl im Zentrum aufhält, ist es kein großes Problem. Die Luftverschmutzung hält sich dank der Seebrise in erträglichen Grenzen und das Zentrum selbst ist so winzig, dass man fast alles erlaufen kann.
Mittlerweile habe ich Dublin übrigens eine eigene Sektion gewidmet. Wenn es da ein paar Überschneidungen gibt, bitte ich das zu entschuldigen. Ich lösche nicht gern, was ich einmal geschrieben habe..
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