Willkommen in Malin Head. Weiter Norden geht nicht. Wir haben das Ende von Irland erreicht, zumindest das nördliche. Der kleine Ort liegt am äußersten Zipfel der Halbinsel Inishowen. Letzteres bedeutet übersetzt soviel wie Owens Insel. Die Haare im Wind schauen wir auf den Atlantik.
Malin Head ist etwas erklürungsbedärftig. In der Theorie ist es voller Attraktionen. So befinden sich hier das nördlichste B&B, die nördlichste Jugendherberge, das nördlichste Lebensmittelgeschäft und mit “Farrens Pub” natürlich auch die nördlichste Schänke des Landes. Hört sich spannend an, aber so ganz unter uns, viel zu sehen gibt es eigentlich nicht.
In unserer Verzweiflung besuchen wir die Radio- und Wetterstation, wo man Antennen sehen kann. Wenn der örtliche Meteorologe in Stimmung ist, veranstaltet er angeblich kleine Rundtouren durch die Anlage. Als ich da war, war er es nicht. Ich würde meine Erwartungen also nicht zu hoch schrauben, obwohl ich nicht viel verpasst zu haben scheine. Meteorologe in Irland sichert einem wenig Sympathien. Im Fernseher wird das Wetter daher von Hobbykomikern präsentiert. Kein Witz! Die verlesen sogar Geburtstagsgrüße. Irisches Wetter muss man mit Humor nehmen.
Die Halbinsel Inishowen ist touristisch gut erschlossen, sie liegt schließlich direkt neben Derry, erweckt aber immer noch den Eindruck von totaler Abgeschiedenheit. Die Gegend prahlt vor allem mit Leere, Stille und unberührter Natur. Im Gegensatz zur Westküste ist die Landschaft bemerkenswert sanft. Der größte Teil der Landzunge liegt geschützt vor der zerstörerischen Gewalt des Atlantiks. Die Landschaft ändert sich erst, wenn man den wirklich nördlichsten Zipfel erkundet, also dem Wanderweg um das Nordkap folgt.
Dort befinden sich mächtige Klippen und schroffe Buchten, eröffnen sich immer wieder neue und atemberaubende Ausblicke. Von grünen Hügeln blickt man tief hinab in dunkle Abgründe wie dem Hell’s Hole. Bei Flut brechen die Wellen mit ohrenbetäubendem Lärm in der engen Bucht. Ganz automatisch tritt man einen Schritt zurück. Wie in Irland üblich ist nichts abgesperrt und wie man uns berichtet, gab es in der Vergangenheit einige Unfälle, wo unvorsichtige Wanderer in die Tiefe stürzten.
Die Aussicht entschädigt übrigens für jede Strapaze, wenn man eine schöne Wanderung denn so nennen möchte Unheimlich gerne hätte ich dieses auch mit tollen Fotos untermalt, allerdings hatte ich wieder mal das Glück des Tüchtigen und war vernebelt. Da sag ich lieber nichts zu.
An Banbas Croan – dem wirklich allernördlichsten Punkt – erwartet den Besucher eine kleine Festung. Von hier aus signalisierte man im neunzehnten Jahrhundert Schiffen, wo es nach Amerika geht. In riesigen Lettern prangt am Strand EIRE, vermutlich ein überbleibsel aus dem letzten Weltkrieg. Auf die Art signalisierte man Flugzeugen, dass sie auf das neutrale Irland zufliegen. Die einfachen Ideen sind immer die besten.
Dank modernster Technik muss mittlerweile niemand mehr bei Wind und Wetter am Kap ausharren und Flagge zeigen. Dafür gibt es schließlich die Radiostation. Traditionell war die direkt vor Ort lokalisiert. Irgendwann fiel dann jemandem auf, dass man so eine Station auch näher an die nächste Schankwirtschaft bauen kann. Ist schließlich Funk. Heutzutage befindet sie die Station direkt neben dem Croßroads Pub.
Zeigt sich das Wetter mal wieder von seiner irischsten Seite – die Chancen dafür stehen in Irland ja ganz gut – lässt man sich am Besten an einem warmen Feuer einen Schwank aus den guten alten Zeiten erzählen. Man will ja auch etwas lernen und sei es die Geschichte von Malin Head.
Nun liegt Malin Head im County Donegal. So super viel los da gemeinhin ja nicht und war es auch nie, trotzdem hat der Ort einen lokalen Helden hervorgebracht.
Der Legende nach hat der berühmteste Sohn der Landzunge – sein Name ist, wir ahnen es: Owen – seinerzeit den Heiligen Patrick entführt und versklavt. Wirklich übel scheint der irische Nationalheilige es ihm nicht genommen zu haben, er taufte und vergab ihm. Am Ende wurde gar die ganze Gegend nach dem guten Owen benannt. Wie man sieht, gibt es viele Wege unsterblich zu werden.
Einen echter Tipp in Sachen Übernachtung ist das Sandrock Holyday Hostel. Es ist eine der auch in Irland relativ weit verbreiteten, unabhängigen Jugendherbergen. Sie hat alle damit verbundenen Annehmlichkeiten. Rodney und Margareth – die Besitzer – betreiben das geradezu mondän wirkende Plätzchen, dass mit rund 10 Euro pro Nacht auch noch ausgesprochen günstig ausfüllt, mit viel Charme.
Die Herberge liegt etwas außerhalb des Dorfes. Dafür sind es von hier bis zum Aussichtspunkt an der Küste entlang nur etwas über 2 Kilometer. In der gemütlichen Stube kann man prima sitzen und tratschen. Die Küchenbenutzung ist auch inklusive. Und hat man sich an den Weg erst mal gewöhnt, fühlt es sich auch bis zur nächsten Wirtschaft nicht mehr so weit an.
Rodney behauptet übrigens steif und fest, dass Malin Head der sonnigste Platz Irlands sei. Was uns das Fernsehen als Wetterkarte zeige, sei regelmäßig falsch. Lug und Trug quasi. Nun kann ich das nicht so richtig glauben, ich gebe aber zu, dass ich mir einen fetten Sonnenbrand geholt habe.
Angeblich, und nehmt das unter Vorbehalt, regnet es hier manchmal monatelang nicht. So recht glauben kann ich es nicht, aber ich will auch niemanden einen Lügner nennen.
Nach meiner Erfahrung liegt der County Donegal wettertechnisch am untersten Ende der Skala. Sollte es zwischen Donegal und Connemara einen Wettbewerb um das mieseste Wetter geben, schätze ich, dass die bei der Zahl der Regentage ziemlich gleich auf liegen.
Eigentlich ist es aber auch egal. Ich habe Inishowen mehrfach bei strahlendem Sonnenschein gesehen – so ganz Unrecht hat Rodney anscheinend nicht – aber da sieht Irland irgendwie komisch aus. Leicht neblig mit Sprühregen – OK. Stahlblauer Himmel und Sonnenbrand, ich weiß nicht. Es fühlt sich falsch an.
Wenn ich hier mal meine Meinung äußern darf, und das darf ich, sind die Highlights von Donegal und auch in etwa dieser Reihenfolge: Tory Island, Glencolumbcille, Slieve League, der Glenveagh Nationalpark, Malin Head, Donegal Stadt, die Nordwestküste mit den Rosses und Mount Errigal.
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